So viel zum Einstieg dieses Textes.
Doch das Internet ist nicht überall scheiße. Mich freut es zu sehen , dass es auch Menschen gibt, die eine andere Welt, die vermeintlich nichts mit dieser modernen und künstlichen Welt zu tun hat, auf meine Bildschirme bringen. So kann ich teilhaben an den echten Abenteuern, die andere Menschen erlebt haben. Als begeisterter Radfahrer interessieren mich dabei vor allem die Bilder und Videos von anderen Radreisenden oder die Einblicke in das Leben derer, die lieber in einem Zelt statt in einem teuren Hotel schlafen. Tausend Sterne statt nur vier.
Auf meinem Handy liegt der Zugang zu meinen Sehnsüchten. Während ich auf dem Sofa liege, im Bus neben gestressten Müttern sitze oder während der Arbeitszeit vom Urlaub träume, kann ich kurzzeitig immer wieder eintauchen in eine Welt aus Wünschen und Seensüchten. Ich blicke auf Bilder und auf Videos, in freudige ungeschminkte Gesichter und auf verschwitzte Körper, die erkennen lassen, dass diese Körper viele Abenteuer erleben. Instagram bringt uns die Abenteuer der Anderen vor das Gesicht und versetzt mich gleichzeitig in einen Zustand des Fernwehs. So gut es mir hier auf dem Sofa gefällt, wenn ich auf die Bilder der Wanderer, Hiker, Bikepacker, Traveler, Abenteurer, Survivalguides, und Naturfotografen blicke, will ich auch dorthin. Dorthin wo die Bilder vor dem meinen Augen keinen Filter benötigen um echt auszusehen.
Instagram ersetzt heute die Postkarte von damals. Die Reiseberichte, die dicken Bücher und Bildbände gibt es zwar immer noch, aber sie werden nach und nach ergänzt oder auch ganz abgelöst, von kleinen quadratischen Bildern mit Retrofilter. Die Natur und die Abenteuer der Anderen kommen via hashtag #nature, #wildlive oder hashtag #microadventure, in meinen Alltag und lösen das aus, was früher einmal unter Fernweh oder Reisefieber bekannt war. Ich finde diese Art Sehnsucht sehr viel besser als die Wünsche, die Menschen wie Beaty-Bibi versuchen in mir auszulösen.
Ich wische also immer weiter auf meiner bunten Scheibe und werde ungeduldig. Ich will auch raus. Will wieder Urlaub haben. Will raus fahren an die Seen und in die Berge. Dorthin wo die wahren Erfahrungen und die echten Erlebnisse zu finden sind. Will in Schlafsäcken übernachten und aufwendig gekochten Kaffee aus einer Edelstahltasse trinken. Will meiner teuer zusammengekauften Ausrüstung eine Berechtigung verschaffen. Ja, auch ich falle immer wieder darauf rein, zu denken, dass Abenteuer nur mit der richtigen Ausrüstung zustandekommen können. Ich will in diesen Landschaften stehen anstatt sie nur in meiner Hand zu halten.
Dabei ist das doch gar nicht nötig. Um raus zu kommen, aus dem Alltag, braucht es weder teure Ausrüstung oder 2 Wochen Urlaub. Die Abendeuer, auf die mich Intagramm so heiß macht, warten in Wirklichkeit direkt vor der Haustüre. Ich muss nur 20 Minuten mit dem Rad aus der Stadt fahren und stehe mitten in der Natur. Dieselbe Natur in der es sich so sehr nach Ferne anfühlt wie unter dem zugehörigen hashtag. Es braucht nicht viel Aufwand damit ich plötzlich in einer anderen Welt stehe. Ich kenne mich noch nichteinmal gut genug im Umland von München aus um mich nicht zu verfahren oder auch nur ansatztweise gelangweilt von Land und Leuten zu sein.
Genau das mache ich jetzt. Jetzt ziehe ich los. Ich packe nicht viel ein. Nur meinen Schlafsack, meine Isomatte, einen Satz lange Kleidung und ein bisschen etwas zu Essen. Alles was in einen kleinen Rucksack passt. Dann setzte ich mich auf mein Rad und fahre einfach los. Die Richtung ist egal. Ich folge einfach der Straße raus aus der Stadt. Solange ich Kraft in den Beinen habe, bis ich Hunger bekomme oder es mir an einem Ort zu gut gefällt um weiter zu fahren. Weniger als 24 Stunden lang, raus aus dem Alltag zu sein reichen aus um meine Sehnsucht nach Ferne zu stillen.
Ich suche mir einen trockenen Ort zum Schlafen. Lese ein Buch meines Lieblingsauthoren mit der Taschenlampe. Wünschte ich hätte ein Bier eingepackt. Schlafe im Freien und friere die ganze Nacht. Die Gräusche vom Waldrand machen mir eine heiden Angst. Dann auch noch ein Schuss weniger hundert Meter von mir. Bestimmt nur ein Jäger. Vor vier Stunden war ich noch im gewohnten Zuhause, jetzt stecke ich mitten in einem Abenteuer.
Die Nacht bleibt kurz. Ehe die Sonne richtig aufgeht, bin ich wieder auf dem Sattel und auf dem Weg nach Hause. Ich fahre durch die neblige und vom Trau noch feuchte Landsschaft. Auf Umwegen natürlich. Insgesamt 16 Stunden bin ich unterwegs. Über 80 km lass ich meine Beine treten. Geld brauche ich nur für einen Kaffe beim Bäcker.
Es war perfekt. Einfach nur perfekt. Ohne viel Geld auszugeben und ohne mir Urlaub zu nehmen habe ich mein eigenes #microadventure geschaffen. Ich könnte jetzt natürlich auch durchgehend Fotos hochladen. Durchgehend mitteilen wie großartig es mir gerade geht. Wie schön es dort ist, wo ich gerade bin. Doch das brauche ich nicht. Dieses Abenteuer gehört mir.
Man könnte jetzt sagen, dass das Internet nichts beim Erleben von Abenteuern zu suchen hat. Das ist an sich auch richtig. Schließlich braucht ein schönes Erlebnis keinen Beweis um stattgefunden zu haben. Kein Filter und kein Like unter einem Foto machen ein Abenteuer besser oder echter.
Aber andererseits gehören die Abenteuer in das Internet. Das Internet braucht mehr als Schminktipps, Failcompilations und Prankvideos. Das Internet ist zu schade für oberflächlichen Beautymist oder überflüssige Kaufempfehlungen. Eure Bilder von fernen Orten, die Bilder und Videos, die mich kurz teilhaben lassen an euren Ausbruchsversuchen haben sehr viel schönes an sich. Sie wecken in mir eine Sehnsucht. Eine Sehnsucht, die mich von Zeit zu Zeit meinen Rucksack oder meine Fahrradtaschen packen lässt, damit ich kurz darauf meine eigenen kleinen #microadventures erleben kann. Selbstverständlich lasse ich euch gerne daran teilhaben. Nicht damit ihr neidisch werdet, sondern damit auch ihr Lust bekommt eure eigenen Abenteuer zu starten.
Viel Spaß dabei.
Nice, Jo. Lese meinen aktuellen Text und du bekommst ein weiteres micromicroabenteuerchen. Lg aus Kroatien