Es werde Luft

Das Jahr beginnt mit einer körperlichen Veränderung. Letzte Woche wurde ich an meiner Nase operiert. Das verdient einen Blogbeitrag. Es folgt Gejammer und Jubel.

Seit langer Zeit tänzel ich um die Operation meiner Nase herum. Diesen Januar habe ich es endlich in Angriff genommen. 

Was war los? 

Ich kann euch beruhigen. Von außen bleibt meine Nase (edel römisch ) wie bisher. Die inneren Werte wurden etwas aufgemotzt. Meine Nasenscheidewand ist wohl so abenteuerlich geschwungen gewesen, dass die ein- und austretende Luft dreimal um die Ecke musste um durch meine Nase zu gelangen. Das führte wohl dazu, dass die Belüftung meiner Nebenhöhlen einigermaßen schwächelte, was dazu führte, dass meine Nebenhölen immer – also wirklich immer – ein bisschen entzündet waren.

Bei der kleinsten Erkältung haute es mich um. Nicht wie bei den meisten Menschen zwei, drei Tage sondern eher zwei, drei Wochen. 

An Sport im Winter, im Freien war nicht zu denken. Dabei liebe ich Sport im Freien und den auch im Winter.

Ob ich den nervös sei?  

Ja, ja und nochmals ja! Es war eine große Sache für mich. Das merkte ich je näher der Operationstermin rückte. Ich schlief unruhiger und war schneller überfordert von Kleinigkeiten in meinem Alltag. Gar nicht mal aus einer bestimmten Sorge oder einer konkreten Angst heraus. Die lose Vorstellung, dass in meiner Nase herumgesäbelt wird reichte schon, mir unruhige Wochen zu bescheren.

Der operierende Arzt, den ich im Vorgespräch kennenlernte, ist die Ruhe und Vertrauenswürdigkeit in Person. Auch die Narkoseärztin, die mich zwei Tage lang über den Ablauf aufklärte, verfügt über die sprichwörtlich guten Hände, in die man sich gerne gibt. Ein Rest Aufregung blieb dennoch.

Natürlich habe ich mir auch selbst entgegengehalten, dass eine Nasenoperation ein absoluter Routineeingriff ist und ich mich gefälligst mal beruhigen soll. Mit mäßigen Erfolg.

Tag 0

Viele Stunden vor der Operation liege ich früh morgens wach im Bett und es ist klar: Ich schlafe heute nicht mehr ein. Also räume ich ein bisschen die aufgeräumte Wohnung auf und lenke mich von dem aufkommenden Hunger ab. Nüchtern soll ich bleiben.  

Ich höre Musik. So viel wie sonst nie. Auch im Wartezimmer der Praxis in der ich viel zu früh sitze vertiefe ich mich ins Zuhören.

Die Zeit des langen Wartens wird jäh abgelöst und es geht plötzlich alles recht schnell. Ich werde in ein luftiges OP Hemd gesteckt, finde mich schnell darauf auf einer Liege wieder und während die Narkoseärztin mich über meine Urlaubspläne ausfragt, werde ich in einen sanften Schalf geschickt. Ich träume von meiner geplanten Radtour von München nach Berlin und von meiner Nähmaschine.

Als ich wieder zu mir komme erlebe ich einen herrlich angenehmen, ärztlich angeordneten Drogenrausch. Meine Beine sind weich und ich fühle mich als sei ich aus Weingummi gemacht. Mir wird schnell klar warum man nach einer Narkose nicht geschäftsfähig ist. Auch verstehe ich warum man in diesem Zustand unter keinen Umständen aktiv am Straßenverkehr teilnehmen darf. Meine Freundin und meine Schwester holen mich ab. Sie bringen mich nach Hause wo ich fidel und dumpf Blödsinn vor mich hin rede. Die Stimmung ist fantastisch. 

Heilung

Die nächsten Tage sind durchwachsen. Am ersten Tag bin ich überrascht wie gut es mir geht und wie wenig Beschwerden ich habe. Ich male mir aus wie die kommenden Tage mit Produktivität und Freizeitgefühlen gefüllt werden. So weit die ersten 24 Stunden nach dem Aufwachen.

Am Abend kommen die ersten Schmerzen und es wird klar: so easy, wie zunächst angenommen, wird das alles nicht. 

Die zwei Silikonplatten in meiner Nase drücken und reizen meine Nase. Meine Schnute ist geschwollen und empfindlich. So muss sich ein Fisch am Haken fühlen, denke ich mir. Drei Tage lang nehme ich so viel Ibuprofen, dass mein Herzschlag schon seltsam wird. Das Gleichgewicht zwischen Schmerzen und Herzrasen zu halten wird meine tagesfüllende Aufgabe. Es gibt sonst wenig zu tun außer zu liegen und zu versuchen mich irgendwie abzulenken. Ich schaue mich mit Star Wars und Kriegsdokumentationen müde. Dabei genieße ich jede Stunde zeitvertreibenden Schlaf. 

Zwischendurch geht es immer wieder schon ganz okay. Vor allem  dann, wenn ich das abschwellende Nasenspray einnehme kann ich schon ein wenig erahnen wie es sein wird, wenn die Nase wieder richtig frei sein wird: “Ach so fühlt es sich also an Luft zu bekommen.”

Während ich auf Social-Media-Plattformen neidvoll eure Bilder anblicke – wie ihr auf herrlichen Radtouren in zauberhaften Nebellandschaften unterwegs seid oder euch in warme Daunenschlafsäcke rollt – kann ich es kaum erwarten, auch endlich wieder Abenteuer im Freien zu erleben. Die Vorstellung, dass mir das bald alles wieder möglich sein wird, stimmt mich hoffnungsvoll und lindert auch ein wenig die Schmerzen.

Nach vier Tagen wirds besser.

Nach einem sehr langen Wochenende dann endlich: Die schlimmen Silikonteile die in meiner Nase steckten kommen raus. Ich hatte mir irgendwann sogar einen Timer gestellt. So lange können 32 Stunden sein.

Phasen

Die weitere Besserung gestaltet sich in mehreren Phasen. Erste Phase: Die eklige. Der unangenehme Geruch, der in meiner Nase hängt, kommt wohl von der Krustenbildung. Also letztlich vom Heilungsprozess, was an sich super ist. Nur, dass die Welt in dieser Phase nach Eiter riecht. Zum Glück geht die Phase schnell vorbei.

Die Müdigkeit

Während ich immer öfter schon spüre wie sich die Nase weiter öffnet, ergreift mich ein Tatendrang. Schließlich habe ich die letzten Tage schon genug herumgelegen. Ich will, einkaufen gehen, kochen, Taschen nähen und meinen Keller ausmisten. Doch mein Kopf und seine Nebenhöhlen belehren mich etwas Besseren. Gefühlt reicht meine Energie des Tages für gerade mal einen Halben, eher noch weniger. Danach ist zwangsläufig Ruhe angesagt. Ruhe und Heilung. Ist okay. Mit Ungeduld kann ich umgehen.

Das Jucken

Wenn eine Wunde verheilt, beginnt sie irgendwann zu jucken. Nur schwer kann man dann dem Drang  widerstehen sich Seelenfrieden zu erkratzen. Leider befindet sich meine Wunde tief in meiner Nase. Da kann ich nicht kratzen. Das Jucken bleibt. Wie auch das Gefühl dringend niesen zu müssen, was ich auch nicht muss. So habe ich also immer eine kleine Träne im Auge und kann diese nur akzeptieren. 

Am Ende wird alles Gut.

All den Widrigkeiten zum Trotz. Wenn man von all dem Gejammer mal absieht stelle ich fest, dass ich sehr zufrieden bin. Zufrieden und dankbar. Meine neu aufgemotzte Nase und ich können uns auf eine glückliche Zukunft freuen. 

Vor allem bin ich froh. So froh, dass ich manchmal sogar zu Tränen gerührt bin. Diese Träne kommt nicht vom Juckreiz. Vor allem in den Momenten in denen ich daran denke, was mir schon bald alles wieder möglich sein wird. Alles, was mir nicht mehr wegen meinen Dauererkältungen verweigert sein wird: Radfahren im Herbst und Winter, draußen Schlafen, regelmäßig trainieren, Abenteuer und Anstrengung.

Ich bin froh darüber, dass alles so gut verlaufen ist. Froh, dass ich nicht noch im letzten Moment vor der OP einen positiven Schnelltest produziert habe. Froh, dass ich nicht länger im Krankenhaus liegen musste, sondern mein Leid in meinem vertrauten Heim auf meinem geliebten Sofa durchleben konnte.

Ich bin dankbar für die Unterstützung meiner geliebten Partnerin, deren Mitleid so spürbar war, dass ich selbst davon Mitleid bekommen habe. Dankbar bin ich auch meiner Schwester, die in den ersten Stunden nach der OP auf mich aufpasste und allen anderen die mich durch ihre Krankenanrufe bei Laune gehalten haben.

Und ich bin froh überglücklich endlich wieder durchatmen werden zu können.

Gut riech euch allen und viel Gesundheit.

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