Velo La France – Ein Reisebericht – Teil 6

Fortsetzung von Teil 1, Teil 2 ,Teil 3 ,Teil 4 und Teil 5

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Tag 5 : Ab hier nur noch Autopilot

Im Morgengrauen klingelt mein Wecker. Als ich auf die Galopprennbahn blicke reiten dort schon junge Jockeys durch den morgendlichen Nebel. Bemerkenswert, denke ich mir und galoppiere auch los.

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Es ist früh morgens und darum haben auch in Hügelsheim die Bäckereien noch nicht geöffnet. Ich habe glück am Bahnhof von Rastatt. Dort finde ich Koffein und einen Schokocroissant. Mein erster Croissant auf meiner Reise. In Baden Württemberg. Auch das ist bemerkenswert.

Weiter und weiter. Als ich in Ettlingen ankomme haben wieder mehr Geschäfte offen. Ich nehme Platz und frühstücke zwei mal in einer Großen Bäckerei mit Steckdosen. Es dreht sich mehr und mehr um die Steckdosen.

Vollgeladen kann es weitergehen. Bei mir läuft mittlerweile alles auf Autopilot. Auch Platten Nummer 10 ist mit Hilfe weniger geübter Handgriffe behoben. Irgendwann hängt sich mein Navi auf. Was nicht weiter schlimm ist, nur dass mir etwa 35 Kilometer der Aufzeichnung fehlen.

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Schon bald merke ich, dass sich allmählich ernsthafte körperliche Beschwerden einstellen. Es ist nicht etwa mein Po, was sonst der Klassiker unter den Langstreckenfahrer ist. Es sind die Innenseiten der Oberschenkel. Trotz Sitzcreme macht sich die dauerhafte Reibung bemerkbar. Der ganze Dreck und Staub, den ich durch meinen verschwitzen Körper auffange, wandert mit dem Schweiß langsam nach unten in mein Sitzpolster. So wird mein Schritt mit jeder weiteren Kurbelumdrehung gerieben und gesandet. Ich bin wund. An einer äußerst ungünstigen Stelle.

Bei meiner nächsten Pause mache ich einen Besuch in einem Drogeriemarkt, in dem ich mir Creme kaufe, von der ich mir Linderung erhoffe. Ich hoffe vergeblich und so wird der Schmerz in meinem Schritt mein Reisebegleiter.

Nichtsdestotrotz fahre ich weiter. Ich fahre eigendlich immer weiter. Pause am Fluss, Pause an der Tankstelle. Mein Ziel rückt näher und näher. Erinnerungen habe ich nur noch wenige an diese Ettappe. Almählich ist ein Ende in Sicht. Ein einerseits trauriger aber im Moment ein sehr viel mehr erbaulicher Gedanke.

Nachrichtenaustausch mit der Heimat, Sehnsucht und ein kurzer Flashback an den Heulkrampf gestern. Ich nehme mir ein Bier aus dem Kühlschrank in der Tankstelle und bin wieder für einen kurzen Moment sehr betrunken und sehr glücklich. Hinter mir liegen sicher 850 km. Ungefähr. So genau kann ich das nicht ausrechnen. Jedenfalls wächst diese Zahl von Stunde zu Stunde.

Das Bier in meinem Kreislauf führt dazu, dass ich bei der nächsten Abfahrt sehr viel weniger vorsichtig abbremse und meinen Geschwinsigkeitesrekord der Woche breche. 60 km/h bei vollem Gepäck. Das kickt.

Am Nachmittag komme ich in Ludwigsburg an. Hier besuche ich kurz Lennart in seinem Laden. Mit ihm habe ich auch schon das ein oder andere Abenteuer erlebt. Er ist neidisch auf mich, er muss arbeiten. Ich kann ihn in diesem Moment nicht verstehen. Ich kann gar nichts mehr verstehen. Bei mir läuft mittlerweile alles in einem anderen Modus. Ich bin nur noch am funktionieren. Autopilot. Ich gehe Burgeressen und erwäge das Angebot bei Lennart einen Schlafplatz anzunehmen.

Auch wenn das Angebot, für heute hier Schluss zu machen und bei Lennart eine Dusche und ein richtiges Bett zu benutzen verlockend ist, muss ich irgendwie weiter. Ich bin noch nicht angekommen. Ich will noch weiterfahren. Will letztendlich richtig ankommen. Ich bin noch im Unterwegsmodus im Modus Kilometerfressen. Auf der Reise. In meinem Kosmos ist noch kein Platz für Normalität.

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Trotz schmerzendem Schritt und mittlerweile chronischer Müdigkeit schwinge ich mich wieder los. Immer dem Vorderrad hinterher. Vor ein paar Wochen bin ich eine ähliche Strecke von Ludwigsburg nach München   gefahren wie heute. Das kommt mir zugute. Zumindest weiß ich ungefähr welche Berge noch auf mich warten.

Nach einer (gefühlten) Stunde mache ich Pause auf einer Parkbank am Neckar. Ich brauche dringend einen Powernap. Außerdem muss ich meinen Schritt pflegen. Ich kann sagen, dass es sich sehr komisch anfühlt auf einer Parkbank zu sitzen und seinen Schritt einzucremen, während man sich immer wieder verstohlen nach vorbeikommenden Joggern umsieht.

Nach meinem Powernap geht es mir tatsächlich etwas besser. Ich fahre weiter in die aufkommende Dunkelheit. Waiblingen, Weinstadt Schorndorf. Nach und nach schaue ich mich um, nach einem Platz zum Schlafen. Bis ich meinen Platz finden soll werden  jedoch noch 20 Kilometer und ein großer Hügel überwunden. Mein Wunsch morgen Abend in München anzukommen, hat sich mittlerweile fest manifestiert. Meinen Beinen ist mittlerweile alles egal und mein Schritt hat gefälligst nichts zu melden. Ich befinde mich auf einer extremlangen Radtour. Da ist es auch nochmal, dass es mir mal nicht so gut geht.

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Als ich die 200 Höhenmeter (Adelberg)  hinter Schorndorf überwunden habe bin ich leer gefahren. Ich breite mich aus, an einer kleinen Hütte direkt neben einem Strauch mit reifen Johannisbeeren. Ich bin verunsichert, denn als ich mein Handy anschalte um Neuigkeiten an die Heimat zu schicken poppt eine Unwetterwarnung für meinen Standort auf.

Heftige Gewitter und starke Regenfälle sind für heute Nacht angesagt. Es liegt tatsächlich Gewitter in der Luft. Immer wieder bläst eine starke Böe über die Hütte hinweg und rüttelt an den Johannisbeersträuchern.velo la france film5

Weiterfahren macht keinen Sinn. Ich bin leer. Ich kann nicht mehr weiter fahren. Allerdings unternehme ich einen kleinen Streifzug durch die Umgebung und mache eine  Bushaltestelle wenige hundert Meter entfernt aus. Im Fall der Fälle könnte ich hier Schutz vor dem Gewitter finden.

Wenn man sehr müde ist hat man den Vorteil, dass man einfach keine Zeit für sorgenvolle Gedanken an Gewitter hat. Also pflege ich noch ein wenig meine Wunden und blicke auf die Blitze am Horizont.  Hoffentlich zieht es weiter und es bleibt es trocken, zumindest für ein paar Stunden, dann wird es wieder hell.

 

Tageskilometer: 151 km – Kilometer bisher insgesamt: 924 km

Fortsetzung HIER

 

Tag 5: auf Strava: www.strava.com  zumindest das was von der Aufzeuchnung übrig ist.

Für den Film, der während meiner Reise entstanden ist gibt es hier schon einen kleinen Teaser:

 

 

2 Gedanken zu „Velo La France – Ein Reisebericht – Teil 6

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