“Wer ein Konzert mit seinem Handy mit filmt hat gleich doppelt etwas davon: Er kann es zwar nie so richtig aber dafür so oft erleben wie er will.” Diese Annahme ist ungefähr so sinnreich wie das Bestreben nach möglichst vielen Freunden bei Facebook.
Hier zeigt sich mal wieder ganz deutlich: Qualität statt Quantität. Lieber eine Nacht lang ein interessantes Gespräch mit einem Freund geführt als eine Woche voll inhaltslosen Smalltalk.
Um Smalltalk dreht sich auch mein heutiger Text. Ich war gestern endlich mal wieder beim Friseur. Ein sehr guter Friseur wie ich finde, weil der gute Mann nicht nur das macht war er soll, nämlich Haare, nach meinen Wünschen, schneiden sondern der gute Mann kann außerdem seine Kunden richtig gut bei Laune halten. Eine Fähigkeit die für einen Friseur, Nachhilfelehrer, Masseur oder personal Fitness-Trainer nicht selbstverständlich ist.
Ein Unding, welches sich anscheinend bei Friseuren und ähnlichen Dienstleitern etabliert hat, ist der Irrtum dass durch das Stellen möglichst vieler Fragen der Kunde das Gefühl bekommt er wäre interessant und gerne mal los legt von sich zu erzählen. Die erste dieser vielen Fragen lautet meistens: “und – was machst du so?” (vgl. “Ich hab’s kapiert ihr studiert!”). Eine besonders fiese Frage, vor allen für Menschen wie mich, die Smalltalk so eher überhaupt gar nicht drauf haben. Ich will verdammt hochmal nicht nur von mir erzählen, zumindest nicht gleich am Anfang des Gesprächs, und das schon gar nicht wenn ich genau weiß: mein Dienstleister hat mich spätestens morgen wieder vergessen. Außerdem was soll das schon heißen: was ich so mache? Ich atme, esse, schlafe und lasse mir ab und zu und das viel zu selten die Haare schneiden. Ich bin außerdem der Meinung dass das Schneiden meiner Haare eine in gewisser Weise persönliche und eventuell auch eine intime Angelegenheit ist. Eine Angelegenheit bei der ich mich auf jeden Fall gerne wohl und nicht bedrängt fühlen möchte.
Wenn ich merke dass du mich mit Fragen löcherst, nur um das Gespräch aufrecht zu erhalten, werde ich gesprächig wie eine Gruppe Liftbenutzer. Das hast du dann davon, ich zieh das durch: Ich sage nichts mehr du fertig bist. Nicht nur viele Fragen stellen liebe Leute! Ich persönlich bin einfach nicht so scharf drauf die ganze Sitzung über nur von mir zu erzählen.
Viel besser dagegen mein Friseur von gestern: der geht das Thema Unterhaltung noch richtig an. Der erzählt mir von seinem letzten Streit mit seinem festen Freund wegen seines neuen Haarschnitts, seinen Reisen durch Europa und Amerika und davon wie er über die Feiertage nach hause fährt. Das alles erzählt er mir ohne sich selbst zu inszenieren oder unterschwellig Informationen meinerseits einzufordern. Ein echter Könner. Nicht nur ein netter Kerl sondern noch so wenig abgestumpft dass der ehrlich interessiert war. Wir kommen also in ein (echtes) Gespräch und bald sind meine Haare so kurz dass wir leider abbrechen müssen. So soll es doch laufen!
Nebenbei bemerkt lasse ich mir viel lieber von Männern die Haare schneiden. Alleine schon wegen der Kopfmassage beim Haarwaschen. Nicht weil ich so gerne Männerhände auf mir habe sondern weil mir Berührungen von Mädchen die nicht entweder mit mir verwand oder meine Freundin sind, unangenehm sind. Deshalb bin ich auch kein Freund von diesen ganzen Umarmungsorgien. Ein guter Händedruck und ein freundlicher Augenkontakt sind mir da schon viel lieber.
Zurück zum Thema: Wann ist also ein guter Smalltalk ein guter Smalltalk? Dann wenn er schnell zum echten Talk wird? Wenn beide beteiligten das Gespräch genießen können? Ist es ein echtes Interesse am Gegenüber? Ist es ein bisschen was von all dem? Mal angenommen dem wäre so, dann hätte ich schon sehr lange keinen guten Smalltalk erlebt, abgesehen von dem gestrigen natürlich.
Wenn du es also drauf hast mich nicht zu mit fragen zu löchern und gleichzeitig nicht auf Abschieds-kuscheln bestehst, dann könnten wir uns eventuell sehr gut verstehen.
Ich versuche immer noch meine Talk-Fähigkeiten zu verbessern. Wenn mir also jemand erklären kann wie ich dieses unangenehme Schweigen und Phrasendreschen vermeide, wenn ich eine ehemalige Mitschülerin oder sonst einen alten Unbekannten im Supermarkt treffe. Was kann ich tun damit nicht nur zu sagen ist: „schon interessant wo man sich wieder trifft.“? (Ganz nebenbei ist die mathematische Wahrscheinlichkeit dass man irgendwann, irgendwen, irgendwo trifft bei weitem nicht zu gering wie einem vermittelt wird.) Was also tun? Wegsehen oder sich verstecken kann nicht die Lösung sein. Ich gebe zu ich bin in dieser Hinsicht hilflos. Tipps?
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Oh da gibts einen interessanten Artikel in der Neon. Und die Neon hat IMMER recht!
Sie rät dazu: Immer schön zwischendurch “ahja” oder “ja” sagen und mit dem Kopf nicken, das gibt dem Gegenüber das Gefühl der Interesse. Ganz gut kommt auch immer das Unnütze Wissen, “Hey wusstest du, dass …?” “NEIN? Echt oder?”.
Wenn der Gesprächspartner über Leiden berichtet, dann das “ahja” bei Bedarf gegen “oje” austauschen :-).