Ich bin ja genervt. Das ist gut denn wenn ich genervt bin, kommen meist gute Geschichten heraus. Jedoch bin ich so sehr genervt von dieser einen Geschichte, dass ich sie gar nicht schreiben will. Jetzt ist es aber so, dass mein Rücken schmerzt und ich viel sitzen muss, daher schreibe ich sie eben doch auf.
Wie an dieser Stelle sicher schon einmal erwähnt nebenjobe ich ja in einer Kletterhalle. Ja so etwas gibt es und ja so etwas gibt es auch in Hamburg. Felsen und Berge gibt es dort ja nicht, doch Klettern wollen die Menschen auch dort fleißig. Ich betreue dort Schnupperkurse, bespaße Kindergeburtstage oder Firmenausflüge. Ereignisreiche Wochen sind mit diesen Menschen, denen das Klettern fremd ist, vorprogrammiert. Darum soll es aber gar nicht gehen. Ich schrieb das nur um der folgenden Geschichte ein wenig Rahmen zu bieten. Es geht heute um die Kletterer an sich. Die Kletterer die sich viel in Kletterhallen aufhalten. Im besonderen um einen bestimmten Typ Kletterer.
Als Mitarbeiter bin ich angehalten auf Sicherheit in der Halle zu achten. Sprich, wenn ich etwas sehe, was nicht den Regeln der Sicherungskunst entspricht, bin ich verpflichtet oder zumindest aufgefordert den Kletterer anzusprechen. Das läuft meisten auch ganz gut. Viele Kunden freuen sich, wenn sie auf einen Fehler aufmerksam gemacht werden. Schließlich passieren beim Klettern gelegentlich Unfälle und diese wollen alle gerne vermieden wissen.
Vor ein paar Tagen bemerke ich wieder einen Fehler beim Sichern. Einen recht gravierenden sogar und daher spreche den betreffenden Mann an. Reaktion: Ich werde angeschnauzt. Er wisse was er tue. Er mache das seit dreißig Jahren. Ich bekomme Angst vor seinen bösen Augen und seinen dreißig jahrelang trainierten Muskeln. Ich gebe klein bei und ziehe mich zurück. Nach dem Motto: Ich meinte ja nur…
Im Nachhinein fällt mir auf wie auffällig es doch ist, wenn das erste was Mister-er-weiß-was-er-tut einfällt, das ist wie lange er diesen Sport schon betreibt. Als wäre es entscheidend, wenn man einen Fehler macht und dieser dreißig Jahre keine Auswirkungen hatte. Außerdem ärgere ich mich darüber, dass diejenigen die am bedrohlichsten schauen am Ende das letzte Wort haben.
Einige Augenblicke später werde ich zur Kletterbrust genommen. Ich bekomme auf den Deckel: „Was das soll, mann lasse sich nicht ankacken, man sei seit blablabla Wettkampfkletterer, was mir einfalle, meine Kritik würde ihn ablenken und gefährden und überhabt…“ Zu Wort komme ich nicht wirklich. Ich merke nur wie sehr ich meinen Aggressor wohl in seinem Stolz verletzt haben muss. Anders ist es nicht zu erklären. Wenn er doch so erfahren ist, dann liegt ihm sicheres Klettern doch ebenso am Herzen. Er müsste sich eigentlich freuen wenn Kletterer aufeinander zugehen und sich auf Mängel beim Sichern aufmerksam machen.
Ich meinte es gut. Ich befolgte die Vorschriften meines Arbeitgebers. Ich bekam dafür auf die Fresse. Mit einem unglaublich ekligen Gefühl fahre ich nach Hause während ich mir denke: was für ein Arsch.
Es ist wohl das Sportlerego welches ich getroffen habe. Der Mechanismus der mich immer davon abgehalten hat einen Teamsport zu betreiben. Den Sportsgeist, der an sich ja gut und wichtig, oder zumindest normal ist, der bei Kletterern aber nur zu gerne übertrieben wird und inm puren sich beweisen wollen mündet. Wer sich des öfteren in Kletterhallen aufhält, dem wird das auch schon aufgefallen sein. Hier laufen schon sehr viele Menschen herum die sich denken, oder zumindest nach außen verkaufen: „Ich bring‘s!“
Kletterer fühlen sich des öfteren sehr sehr cool. Das geht bei der Attitüde los und endet in einem übergroßen Fundus an Ausrüstungsgegenständen. Manchmal scheint es mir als würde man ohne die richtige Uniform niemals ein guter Kletterer werden können. Ergebnis dieses Phänomens: Alle laufen und klettern sie gleich herum. Bye bye Individualität. Als hieße es: „Einscheide dich: Persönlichkeit oder skills.“
Ich bin ein eher unterdurchschnittlicher Kletterer. Doch ich habe Spaß am diesem Sport, großen sogar. Zu selten habe ich allerdings nach der Arbeit Lust noch mehr Zeit in der Halle zu verbringen. Anderen geht es da anders. Die klettern dann natürlich besser als ich. Doch solange ich noch mit Kritik umgehen kann, solange ich meiner eigenen Kleiderordnung folge und solange ich Menschen die weniger gut klettern als ich noch mit Respekt begegnen kann finde ich alles in Ordnung.