Ich habe meine Bar entdeckt. Meine neue Bar. Es ist die perfekte Bar. Schon bei meinem ersten Besuch hat es mir hier gefallen. Heute kann ich sicher sagen: Dies ist meine Lieblingsbar.
Auch, wenn es diese Kneipe wohl schon viele Jahre gibt und ich schon viele Jahre in dieser Stadt lebe, haben wir (meine neue Lieblingsbar und ich) uns irgendwie verpasst. Ich wundere mich darüber, dass ich sie nicht schon sehr viel früher entdeckt habe. Ein bisschen ärgert mich das auch, aber das hilft mir hier nicht weiter.
Jedenfalls sitze ich in meiner neuen Lieblingskneipe und freue mich über eben diesen Umstand. Der Barkeeper ist für mich jetzt schon eine Legende. Die Getränke schmecken vorzüglich, wie selbst gemacht – nur besser. Die Preise sind lächerlich niedrig. Die anderen Gäste sind angenehm unaufgeregt und normal. Alles ist gut. Neu und trotzdem schon so vertraut.
Ich sitze weiter am Tresen und beobachte das Kneipentreiben um mich herum. Stammgäste sitzen seelig ins Nichts lächelnd. Andere unterhalten sich mit ihren Begleitungen, wenn diese auf die Toilette gehen blicken Sie auf ihre Telefone. Normaler Kneipenkram eben. So wie ich mir viele Jahre meine Lieblingskneipe vorgestellt habe so ist es hier.
Bis auf eine Sache. Es gibt eine Sache, die habe ich bisher in keiner Bar erlebt. Bargespräche mit Damen. Natürlich habe ich mich schon mit Damen unterhalten. Auch in Bars und dort auch am Tresen. Doch kannte ich diese Damen immer schon vorher, wenn ich nicht sogar schon deren fester Freund war.
Nein. Ich spreche von diesen klassischen Barflirtswie, wie ich sie sonst nur aus bewegten Bildern kenne. Irgendwie habe ich lange gedacht, dass Lieblingsbars und Tresenflirts zusammengehören. Ein Klische das für mich so klassisch ist, dass es in der eigenen Biografie fast fehlt.
Ich rede von folgendem Klischee: Sie sitzt seit einer halben Stunde alleine in einer Bar und sieht natürlich fantastisch aus. (Schon allein diese Situation scheint mir durch und durch unglaubwürdig.) Immer wieder nimmt ein junger Mann all seinen Mut zusammen, macht ein umständliches Kompliment, bietet der schönen Frau einen Drink an, erhält seinen wohlverdienten Korb und zieht mit eingeknickten Schwanz wieder ab.
Die junge Frau sitzt weiter am Tresen und wird noch selbtbewusster und schöner. Auch wenn Sie gerne angesprochen wird, tut sie so als wolle sie ihre Ruhe haben. In meiner Vorstellung weiß jeder im Raum worum es hier geht. Darum, dass nur der richtige Mann mit dem richtigen Kompliment vorbeikommen müsste um bei der Inszenierung dieses modernen Märchens den Prinzen spielen zu dürfen.
Meine neue Lieblingskneipe wäre für diese Vorführung die perfekte Bühne. Alles hier drinnen ist so klassisch “Bar”, dass durch das Fehlen der schönen einsamen Frau am Tresen fast schon eine Lücke entsteht.
Wenn ich ehrlich bin habe ich noch nie eine vergleichbare Situation erlebt. Weder als Teilnehmer noch als Beobachter. Auch von all meinen befreundeten Paaren hat sich kein einziges dadurch kennengelernt, dass ER sich traute SIE am Tresen anzusprechen. Mittlerweile bin ich mir nicht einmal sicher ob überhaupt jemals irgendwo eine vergleichbare Situation den Anfang einer ernstzunehmenden Liebesgeschichte darstellt. Zumindest nicht in meinem Universum. Nur in meiner Vorstellung. So gesehen wird meine Vorstellung von der perfekten Bar niemals vollständig zur Wirklichkeit werden.
Ich schließe keine Bekanntschaften und auch keine Liebschaften in Bars. Ich pflege sie dort nur. Das finde ich tausendmal besser. Darum macht es mir auch nichts aus, dass ich selbst niemals einen Barflirt erlebt habe. Weil ich weiß, dass das Leben nur selten einem Märchen gleicht.
Für eine tiefere Bekanntschaft läuft man sich schließlich öfter über den Weg. Diese Zeit brauchen wir Menschen eben. Wir müssen uns schließlich aneinander gewöhnen um uns anschließend ineinander zu verlieben. Zumindest dann, wenn wir wollen, dass man zusammen bleibt, auch dann ,wenn man eines Tages nicht mehr nur ineinander verliebt ist. So ist das mit neuen Lieblingsachen. Erst sind sie ganz toll, dann werden sie irgendwann normal und manchmal sogar anstrengend.
So ist das auch bei Flirts am Bartresen. Eine Verbindung die aus einem Barflirt einsteht hällt nur so lange wie der Rausch oder zumindest der Schwips.
Die klassische Frage “Bist du öfter hier?” kommt nicht von ungefähr. Sie drückt nichts anderes aus, als die Hoffnung auf ein Wiedersehen.
Ein neuer Lieblingsmensch ist wie ein Lieblingsdrink oder eine neue Lieblingsbar. Sie werden zum Liebling durch Wiederholung und der Freude darauf.
Ich habe eine neue Lieblingsbar. Dass ich hier keine Tresenflirts erlebe macht mir nichts aus. Mein Lieblingsmensch wartet zuhause. Ich trinke aus .
Ich hatte mich das auch schon mal gefragt mit Ende 20 warum ich noch nie in einer Bar jemanden bewusst kennengelernt hab, bis ich dann mal alleine in einer Bar, der “loan palm” in San Francisco, stand weil meine Freunde sich um 30 min verspäteten…. und es hat keine 5 Minuten gedauert, bis ich angesprochen wurde – aber ziemlich seicht und gleichzeitig von mehreren, was dann die Situation auch ruiniert hat. Es entsteht schwer eine intime Situation, dass zwei sich treffen …
….ich glaube, dass es daran liegt, dass wenige Frauen alleine in eine Bar gehen, nicht so der “safe space” vielleicht?! Frau ist dort verabredet oder geht gemeinsam dorthin. Zumindest sehe ich eher einzelne, meist ältere Männer allein am Tresen sitzen – die dann gerne auch jeder Personengruppe in der näheren Umgebung ihre Geschichten erzählen und das Barpersonal sie gut zu kennen scheint …. was dann wohl auch dafür spricht, dass es wohl ihre Lieblingsbar ist.