Krass wie das geht. Möglicherweise geht es euch so wie mir. Ich stelle mir von Mal zu Mal vor, wie es in der Zukunft mal sein wird. Also in meiner eigenen. Ich habe mir in der Vergangenheit oft meine jetzige Gegenwart vorgestellt. Die Zeit mit Ende zwanzig. Ich habe mich gefragt, wie das dann wohl sein wird, wenn ich mal erwachsen sein werde.
Eine Zeit lang dachte ich auch, dass ich niemals ein Erwachsener sein werde. Manchmal denke ich das immer noch. Zum Beispiel, wenn ich einen ziehen lasse und lachen muss. Doch unterm Strich kann man sagen: der Zeitpunkt an dem ich erwachsen geworden bin ist schon lange vorbei. Ohne, das sich dies groß bemerkt habe.
Es gibt einige bestimmte Hinweise, an denen ich das fest mache.
1.Ich trage Fahrradhelm. Meistens zumindest. Auch in der Stadt. Ich fühle mich dabei nicht seltsam.
2. Ich habe diese Woche meinen 29. Geburtstag. Nicht, dass mein Alter wirklich etwas mit dem Erwachsensein zu tun hat, doch immerhin ist dies mein letztes Lebensjahr unter dreißig und ja: ich gebe zu, zum erstem Mal in meinem Leben mache ich mir mindest einmal in der Woche Gedanken über mein Alter. Das fühlt sich normal an.
3. Ich mache Dinge, wie sie nur Erwachsene tun. Ich gehe zum Beispiel in Restaurants für Erwachsene. Am letzten Wochenende fand ich mich in einer Situation wieder, die Erwachsener nicht hätte sein können. Nach einem Spaziergang mit meiner Freundin durchs Viertel, ( das Wetter war einfach zu schön um drinnen zu sitzen) sitze an einem Sonntag Nachmittag in einer ortgewordenen Skurrilität. Ich finde mich plötzlich in einer Pizzeria, deren Pizzen die Namen von Sternzeichen haben. Der Teig ist aus Dinkelvollkornmehl und auch sonst ist alles ganz doll Bio und ohne Tier drinnen. Am Nachbartisch sitzt ein Pärchen. Sie tragen Trekkingschuhe, Pferdeschwanz und Alltagskleidung in Erdtönen. Wenn sie nicht gerade lange schweigen, reden Sie über ihre Gefühle. Ich sitze auf meinem Platz esse meine Wassermannpizza und komme mir nicht seltsam vor.
4. Mein Bezug zu Kleidung verändert sich dramatisch. Kleidungsstücke waren mir sehr lange sehr egal. Jetzt besitze ich einen Schlafanzug aus ägyptischer Baumwolle des Wäscheherstellers Seidensticker. Diesen habe ich mir selbst ausgesucht und bezahlt. Ich bin der Meinung, dass ein Schlafanzug, ein Kleidungsstück, welches ich von all meinen Kleidungsstücken wohl am häufigsten auf meiner Haut trage, die Qualität einer mittelmäßigen Hose nicht unterbieten sollte. Solche Gedanken mache ich mir tatsächlich. Ich trenne meine Wäsche nach Farben und Waschtemperatur. Das fühlt sich richtig für mich an.
5. Ich habe eine Haftpflichtversicherung. Hatte ich lange nicht. Ist ja auch was für Erwachsene.
6. Ich spreche mit meiner Freundin über Urlaubstermine und Hochzeitspläne.
7. Ich erkenne, dass der Verfall meines Körpers zwar aufschiebbar aber nicht aufzuhalten ist. In meiner Arbeit sitze ich aufgrund von Rückenbeschwerden auf einem orthopädischen Sitzkissen, wenn ich einen Kater habe dauert dieser mittlerweile mehr als einen Tag an und meine Wohlstandswampe verliert auch nach viel Sport nicht an Größe und Umfang.
8. Meine Erlebnisse während der Nacht verlagern sich mehr und mehr von Streunerreien, Musik und Bargetränken in Richtung frühen Schlaf, Bücher und Serien. Es ist ruhiger geworden und das ist ganz wunderbar.
Auch wenn die Erkenntnis darüber, dass man älter wird, neue Dimensionen umfasst, so kann ich sagen, dass älter werden super ist. Seit ich 12 Jahre alt bin, war ich immer der Meinung, dass mein aktuelles Alter das perfekte Alter ist. Ich denke älter werden ist nicht nur in Ordnung, weil man es sowieso nicht verhindern kann. Es ist sogar ziemlich schön, wenn man anfängt es zu genießen. Ich mache mir jetzt Tee.