Ich habe Lust bekommen den guten alten Blog mal wieder zum Leben zu erwecken. Darum veröffentliche ich hier einen Text, den ich letzte Woche auf meiner Lesebühne Ziemlich Beste Vorleser gelesen habe. Es ist zwar eigentlich ein Text zum Vorlesen aber irgendwo muss man ja angefangen.
Viel Freude wünsche ich und komme gerne mal vorbei. Infos zur Lesebühne gibt es zum Schluss.

In drei Tagen ist die Lesebühne.
Es ist wie jeden Monat dasselbe.
Ich bin so gut vorbereitet wie auf ein Latein Abitur.
Ich weiß immerhin, dass das Pixel in München und Rom in Italien liegt.
Eine Lesebühne zu haben ist das Beste.
Fremde Menschen kommen und hören einem freiwillig zu. Meine Therapeutin nimmt dafür sonst 170 Euro in der Stunde. Ich liebe das.
Eine Lesebühne haben ist aber auch das Schlimmste. Es ist, als hätte ich Hausaufgaben bis zum Rest meines Lebens. Und ich hasse Hausaufgaben. Wenn ich Hausaufgaben mache, habe ich das Gefühl, etwas anderes Spannendes zu verpassen. Wenn ich sie nicht mache, habe ich ein schlechtes Gewissen.
Die Hausaufgaben von der Lesebühne sind extra schlimm, weil von Mate Tabula kann und will ich nicht abschreiben.
In drei Tagen ist die Lesebühne. Es ist jeden Monat dasselbe.
Mein Kopf ist leer. Es gibt keine einzige gute Idee in mir. Nichts, über das ich nicht schon dreißig Mal geschrieben habe. Nichts was mehr hergibt als einen schwachen Absatz.
Warum mache ich das eigentlich? In drei Tagen ist die Lesebühne und wie jeden Monat stelle ich mir die Sinnfrage.
Wie jeden Monat stelle ich mich selbst infrage. Wie in jedem Monat beiße ich mir in den Hintern und ärgere mich diesmal nicht früher mit den Hausaufgaben angefangen zu haben.
Mit großer Widerwillen setzte ich mich hin. Blättere mein Notizbuch durch, in das ich meine Ideen festhalte, wenn ich unterwegs bin. Doch das Beste, was ich hier drinnen finde, sind tiefgreifende Gedanken wie: “Wenn Schokolade warm wird, schmilzt sie. Sie ist aber immer noch süß.” Bravo. Darauf lässt sich kein Text aufbauen.
Ich schreibe also einfach drauflos. Manchmal kommt ja doch was heraus, wenn ich den Kopf ausschalte und einfach anfange. Doch heute liegen am Ende vor mir drei Seiten, in denen ich mich selbst bemitleide, keine guten Ideen zu haben und ein Blender zu sein.
Ich setzte mich vom Schreibheft an den Laptop. Vielleicht hilft ja der Wechsel vom Medium. Ich tippe ein paar lahme Sätze. Alle peinlich. Ich schäme mich fast schon für deren Stumpfsinn. Reibe mir die Schläfen und lösche wieder alles.
In ein paar Stunden ist Lesebühne. Es ist jeden Monat das Gleiche. Auf den Letzten Drücker bringe ich noch etwas halbwegs vorlesbares Papier. Zum Glück lese ich nicht alleine. Da fällt ein mittelmäßiger Text weniger auf. Vielleicht lenkt mein Hut ja von der Qualität meiner Texte ab.
Wie jeden Monat fühle ich mich wie ein Hochstapler. Jobinksi mit der Rechtschreibschwäche macht auf Bühnenautor. Was erlaube ich mir hier eigentlich?
Bis ich zum ersten Mal an der Reihe bin, bin ich schon 4 Mal gestorben. Bis zum letzten Moment denke ich mir: Gleich fliege ich auf. Gleich fliege ich auf. Hoffentlich überstehe ich das Heute.
Ich beginne zu lesen. Es passiert nichts Schlimmeres.
Im Publikum lacht jemand. Dabei legt sich ein Schalter um. Es ist der erste Lacher, der alles verändert.
Seit zwei Minuten ist Lesebühne. Es ist wie jeden Monat.
Das erste Kichern im Publikum spornt mich an, noch etwas mehr an auf die Tube zu drücken. Meine Selbstzweifel fallen von mir ab. Das Selbstbewusstsein ist nicht länger nur aufgesetzt. Es ist ehrlich und aufrichtig. Plötzlich weiß ich wieder, warum ich das tue.
Weil es super ist. Weil alle es lieben hier zu sein.
Ich weiß wieder, was ich kann.
Ich bin der geborene Entertainer!
Ein Naturtalent.
Die halbgaren Gedanken entpuppen sich als geniale Schlussfolgerungen. Das Publikum hängt an meinen Lippen. Wie scharf ich wieder beobachtet habe! Die mittelgute Idee ist womöglich der beste Text, den ich je verfasst habe. Besser als heute war ich nie.

Mein Auftritt verfliegt wie eine Kaninchenfurz an der Ostsee. Das Publikum und ich surfen die Welle aus Endorphinen und Adrenalin. Es fließen Tränen der Freude und der Rührung.
Was für ein Ritt.
In den kommenden Tagen werde ich immer noch beflügelt sein.
Was wir wieder geschafft haben. Wahnsinn. Wie gut es wieder gelaufen ist! Was haben wir wieder geil abgeliefert.
Das Gefühl wird ein paar Tage anhalten. Die Erinnerung daran, warum ich das mache, etwa eine Woche.
Dann verdränge ich eine Woche lang, dass ich die nächsten Texte vorbereiten sollte.
Eine weitere Woche werde ich ein schlechtes Gewissen haben und in den letzten Tagen vor der nächsten Bühne kehren sanfte Panik und Selbstzweifel zurück. Warum mache ich das eigentlich?
In drei Tagen ist die Lesebühne.
Ich bin – wie jeden Monat – so gut vorbereitet wie auf ein Latein Abitur.
Ich weiß immerhin, dass das Pixel in München und Rom in Italien liegt.


Information: Die Lesebühne Ziemlich Beste Vorleser findet monatlich in München statt.
Mate Tabula, Heinz, Jobinski und wechselnde Gäste.
Jeder Abend ist einzigartig. Wir freuen uns über die große Nachfrage und sind stolz darüber, dass jeden Monat die Hütte voll ist. Eigentlich ist unser derzeitiger Raum, das Pixel im Rosenheimer Platz, mit Kapazität für knapp 60 Gästen zu klein. Darum sind wir regelmäßig vollständig ausreserviert.
Wenn du mal vorbei kommen willst sag gerne Bescheid. Infos findest du hier auf instagram.
Die nächsten Termine sind am
10. April und am 15. Mai – Einlass 19:30 Eintritt auf Spendenbasis.
Fotos by Ralph Nöth